Mitunter steht der Drechsler vor der Aufgabe, eine lange Säule komplett durchbohren zu müssen. Auch wenn typische Anwendungsfälle wie Kabeldurchführungen an Steh- und Tischlampen etwas aus der Mode gekommen sind, ein Nudelholz preiswert beim Discounter zu haben ist und auch der Bau von Holzblasinstrumenten zu den Projekten gehört, die vermutlich nur von wenigen (Hobby-) Drechslern angegangen werden, ist es gut im Fall der Fälle Rat zu wissen!
Tieflochbohrungen (z.B. für das Kabel von Lampensäulen) fertigt der Drechsler traditionell mit langen Löffelbohrern, die er freihändig führt. Das Werkstück wird in ein Spundfutter eingeschlagen und am anderen Ende von einer sog. Bohrbrille, die man auch selbst aus Holz anfertigen kann, geführt, da die Stirnseite frei bleiben muss.
Nach dem Ankörnen mit der Spitze des Meißels wird vorsichtig mit dem Löffelbohrer, der mindestens halb so lang wie das Werkstück sein muss, von einer Seite begonnen, die Bohrung einzubringen. Löffelbohrer werden mit dem Dreikantschaber geschärft. Ist dies fachgerecht geschehen, zentriert sich der Bohrer selbst und bildet einen schönen langen spiralförmigen Span. Trotzdem benötigt man schon einige Übung, um eine längere Säule einwandfrei zu durchbohren. Sobald sich die geringste Richtungsänderung durch vibrieren des Bohrers andeutet, muss die Richtung korrigiert werden. Selbstverständlich muss auch das Werkholz sorgfältig ausgewählt werden. Es muss frei von Ästen sein und einen geraden Faserverlauf haben. Tieflochbohrungen kommen häufig an Holzartikeln vor, die eher in Spezialfabriken hergestellt werden: Musikinstrumente, Tabakspfeifen, Lampen. Früher wurden bekanntlich sogar hölzerne Wasserleitungsröhren gefertigt. Obwohl die zünftige Beherrschung des Bohrens von Langlöchern für den Drechsler eine interessante Herausforderung darstellt, ist doch aus wirtschaftlicher Sicht auch immer zu überlegen, ob das Verleimen von zwei Holzteilen, in die vorher eine Nut gefräst wurde, eine mögliche Alternative darstellt.
Für gelegentliche Tieflochbohrarbeiten in Hobbywerkstatt wäre der Kauf einer Bohrbrille eine recht teure Anschaffung. Da nicht für jede Drechselbank passende Bohrbrillen zu finden sind, kämen in solchen Fällen auch noch Anpassungskosten eines Fremdfabrikates an das jeweilige Bankbett und an die exakte Spitzenhöhe hinzu. Aber selbst ein - stabiler - Eigenbau macht einige Arbeit. Darum habe ich erst einmal alle Ecken meiner Werkstatt durchstöbert, ob sich nicht irgendwo wenigstens "die halbe Miete" findet. Und: Ich bin fündig geworden! EinTeil des Bohrständers der längst in Vergessenheit geratenen Multimax-Bohrpistole aus DDR -Zeiten sieht fast schon aus, wie eine professionelle Bohrbrille! Während ich weiterkrame, um geeignetes Material zum Anpassen der Spitzenhöhe und zur Befestigung am Bankbett zu finden, kommt mir eine Idee: Da ich ja während des Bohrvorganges die Handauflage nicht benötige, kann ich das Handauflagenunterteil zur Befestigung meiner Bohrbrille nutzen! Damit ich die Spitzenhöhe nicht jedesmal neu einrichten muss, drechsle ich noch eine passende Distanzrolle aus Rotbuche, die auf den 1" starken Aufnahmeschaft aus Stahl passt. Wenige Augenblicke später starte ich eine Probebohrung mit meiner neuen Bohrbrille und einem extra langen Spiralbohrer.
Bei den beiden Tischlampen auf dem Foto (ältere Arbeiten) wird das Anschlußkabel jeweils durch die Lampensäule geführt. Die Säule der rechten Lampe wurde dazu auf der Drechselbank durchbohrt. Bei der linken Lampe wurde die Säule vor dem Drechseln aus zwei Hälften verklebt, nachdem in eine der Hälften eine Nut eingefräst wurde. Durch die Schnitzerei wurde die Klebefuge fast völlig kaschiert.