Ein Unterschied: Steuern oder Regeln
Diese Seite habe ich in der Hoffnung geschrieben, dass sie eine „Vermittlerrolle“ spielen kann, zwischen Drechslern, die von Regelungstheorie bisher eher wenig gehört haben und der englischsprachigen Bedienungsanleitung zum DVR- Antrieb der NOVA- Drechselbank, die eine ganze Reihe solcher Grundkenntnisse als selbstverständlich voraussetzt. Zunächst möchte ich auf einen wichtigen Unterschied im Sprachgebrauch zwischen der deutschen und der englischen Sprache hinweisen: Die deutsche Fachsprache unterscheidet klar die beiden Begriffe steuern und regeln.
So können wir versuchen, die Temperatur unserer Drechselwerkstatt konstant zu halten, indem wir die Außentemperatur messen um daraus eine Stellgröße für das Heizungsventil bilden. Das Signal durchläuft die einzelnen Komponenten der Steuerung vom Messort zum Stellort (Steuerkette). Bei einer Regelung dagegen wirkt das Ausgangssignal in einem geschlossenen Regelkreis stets auf den Eingang zurück. Würden wir in unserem Beispiel nicht die Außentemperatur erfassen, sondern den Temperatursensor in der Drechselwerkstatt platzieren, hätten wir damit bereits einen solchen geschlossenen Regelkreis geschaffen. In der englischen Sprache kann das Wort „Control“ sowohl steuern, als auch regeln bedeuten. Um explizit auszudrücken, dass es sich um eine Regelung handelt, benutzt man zusätzlich die Wörter „Feedback“ (Rückkopplung) oder einfach „Loop“ (Schleife).
Regler gibt es in großer Typenvielfalt
“The Speed Control Loop“ bezeichnet also den Drehzahlregler unserer NOVA DVR XP.
Von der einfachen Toilettenspülung bis zum Autopiloten eines Airbusses gibt es eine unüberschaubare Palette von Reglern mit unterschiedlichsten Anforderungen wie Regelgenauigkeit, Regelgeschwindigkeit, Zuverlässigkeit usw. So unterscheidet man Regler, die für einen ganz bestimmten Zweck gebaut wurden (z. B. Kühlschrankthermostat) von standardisierten Universalreglern, die sich an unterschiedlichste Aufgabenstellungen (etwa in der chemischen Industrie) anpassen lassen. Während man früher fast ausschließlich Analogregler verwendete (das sind im wesentlichen Röhren- oder Halbleiterverstärker, die mit RC- Gliedern, das sind Widerstands- Kondensatorkombinationen, zur Realisierung eines bestimmten Zeitverhaltens beschaltet sind) benutzt man heute gern Digitalregler, da man hier mit einheitlicher Hardware (Mikroprozessor) lediglich durch Anpassung der Software unterschiedlichste Aufgaben bewältigen kann. Weiterhin sind Mehrpunktregler (z. B. Zweipunktregler mit Kontaktthermometer für die Aquariumsheizung) von stetigen Reglern (z. B. Proportionalregler) zu unterscheiden.
Regler haben ein Zeitverhalten
Mit diesem Wissen ausgerüstet, können wir den Digitalen Drehzahlregler der NOVA DVR XP also als stetigen Regler einordnen. Der einfachste stetige Regler wäre der bereits als Beispiel erwähnte Proportionalregler (P- Regler). Um einen Proportionalregler für eine bestimmte Regelstrecke zu optimieren, ist ein passender Proportional-Koeffizient einzustellen. (Das ist der Verstärkungsfaktor, der zum Proportionalbereich übrigens indirekt proportional ist.) Nachteil des P- Reglers ist seine bleibende Regelabweichung. Mein Lehrer versuchte dieses Regelverhalten wie folgt zu illustrieren: Wer einen Fluss durchschwimmt und dabei die durch die Strömung hervorgerufene „Regelabweichung“ stetig korrigiert, indem er immer genau auf das Ziel (Bootssteg am anderen Ufer zusteuert, wird in Strömungsrichtung gesehen etwas hinter dem Bootssteg ankommen (Bleibende Regelabweichung!). Ein erfahrener Schwimmer wird deshalb einen sog. Vorhalt wählen, das heißt, er wird einen festen Punkt am Ufer vor dem Bootssteg anvisieren. Ein PI- Regler berücksichtigt zur Vermeidung der bleibenden Regelabweichung einen Integralanteil. Als zusätzlicher Parameter kann der Integralkoeffizient bzw. die Nachstellzeit an die Regelstrecke angepasst werden. Der Vollständigkeit soll noch gesagt werden, dass das „D“ für den Differentialanteil des Regler steht. Dieser Anteil versucht ausschließlich (schnellen) Änderungen des Istwertes entgegenzuwirken. Im Falle unseres Drechselbankreglers hat der D-Anteil eine fest vorgegebene Einstellung. Aus der komplexen Materie lässt sich bereits erahnen, dass die Optimierung eines Regelkreises keine ganz simple Sache ist. Hier nun eine gute Nachricht: Der Mikroprozessor kann diese Arbeit weitestgehend übernehmen. Genauer gesagt, haben die Ingenieure von Teknatool für den gesamten Drehzahlbereich optimale Regelparameter ermittelt und die gefundenen Kurven als Wertepaare im Speicher des Mikroprozessors abgelegt. Aber damit es sich lohnt Regelungstechnik zu studieren, muss es noch komplizierter sein: Die optimalen Regelparameter sind nicht nur von der Solldrehzahl, sondern auch von der Masse des rotierenden Werkstückes abhängig. Dank Computertechnik wird diese Störgröße auf folgende interessante Weise verarbeitet: Eine interne Steuerung ermittelt sofort nach jedem Start die Zeit, die der Antrieb benötigt um auf 100 1/min zu beschleunigen und korrigiert an Hand dieser Messwerte die durch die gespeicherten Kurven vorgegebenen Regelparameter.
NOVA DVR XP - auch für Extremfälle konfigurierbar
Die bisher beschriebenen Optimierungsmechanismen orientieren sich immer noch am „Normalen“, das heißt mittlere Drehzahlen und mittlere Werkstückgrößen. Für Arbeiten mit sehr geringen Drehzahlen in Kombination mit sehr schweren Teilen, Teilen mit starker Unwucht oder auch besonders leichten Teilen können zur weiteren Verbesserung des Regelergebnisses außer „NORMAL“ noch zwei weitere vorgegebene Koeffizientenkurven „SOFT“ und „HARD“ ausgewählt werden. Darüber hinaus kann man die Koeffizienten für den P- und den I- Anteil auch manuell einstellen. Für die Praxis könnte ich mir vorstellen, dass man damit vielleicht die Laufruhe eines angeschlossenen Ovaldrehwerkes etwas verbessern könnte.