Auch ohne meine „Morin Khuur” , eine kleine Nachbildung einer mongolischen Pferdekopfgeige, die ich von einer meiner Dienstreisen in die Mongolische Volksrepublik in den Jahren 1985 und 1988 als Souvenir mitbrachte, die meine beiden Töchter beim Kasperlespiel längst zerbrochen haben, sind meine Erinnerungen an dieses ferne fremde Land und die Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten durfte, hellwach.
Heute schaue ich mir noch einmal meine Fotos von den lustigen Holzplastiken an, die damals im “Park der Kinder und Jugend” in Ulan Bator aufgestellt waren. Vor kurzem habe ich mir einen Satz chinesischer Bildhauerbeitel gekauft, diese sorgfältig poliert, geschärft und mit selbst gedrechselten Heften versehen. Nun bin ich auf der Suche nach einem würdigen Schnitzprojekt, um diese einzuweihen.
Plötzlich fällt mir der Name eines berühmten mongolischen Bildhauers wieder ein. Ich frage “Google” nach “Zanabazar” und erfahre den vollen Namen: Under Geghen Zanabazar (andere Transcription: Undur Gegeen Dsanabadsar)* 1635 † 1723.
Ich besuche Dr. Siegfried Huneck, dessen Fürsprache ich meine Mongoleireisen verdanke. „Sain baina uu?” – “Sain, sain baina uu?”. Wenn wir uns auf mongolisch begrüßen, haben wir entweder Neuigkeiten, eine angekündigte Fernsehsendung über die Mongolei etwa, die keiner von uns verpassen sollte, oder wir wollen uns einfach erinnern: “Weißt du noch…?”. Diesmal bitte ich Siegfried, mir den Kunstband “The Eminent Mongolian Sculptor G. Zanabazar” auszuleihen. “Willst du eine weiße Tara schnitzen?” fragt Siegfried amüsiert und reicht mir das gewünschte Buch aus seinem riesigen Bücherregal. Wir blättern gemeinsam im Buch. Die Buchverkäuferin hat den Preis mit Bleistift hinein geschrieben: 120,00 Tugrik hat es damals gekostet. Wir schauen die Bilder an und überfliegen die englischen Texte, die Zanabazar lediglich als bedeutenden mongolischen Bildhauer würdigen. Dann erzähle ich Siegfried was ich alles im Internet über Zanabazar herausgefunden habe. - Nein, die Werke von Zanabazar werde ich nicht kopieren können. Ein Portrait von Zanabazar selbst, der schillerndsten Persönlichkeit des mongolischen Buddhismus möchte ich schnitzen.
“Bayarlalaa! - Danke!” sage ich, als ich einige Wochen später das geliehene Buch zurückbringe. Dann enthülle ich feierlich das Portrait eines Mannes, der bereits zu Lebzeiten als Bogdo Gegen – Lebender Buddha verehrt wurde. „Ein richtiger Mongole hätte das auch nicht besser schnitzen können“, lobt Siegfried. Inzwischen hängt das Zanabazar- Relief über meinem Schreibtisch. Ein würdiger Ersatz für meine zerbrochene „Morin Khuur“.