tmb braid1Während eines Arbeitsaufenthaltes als Service-Ingenieur für wissenschaftliche Geräte im Jahre 1985 in der Mongolei wurde ich von einer jungen Mongolin - Gombosuen Gan-Ölsie - liebevoll betreut, welche, wie ich erfuhr, in meiner Heimatstadt Halle ein Medizinstudium absolvierte. Dank der herzlichen Freundschaft, die sich später in Halle zwischen „Gana“ und meiner Familie entwickelte, konnte ich viel Wissenswertes über die Mongolei erfahren und vielfältige, starke Eindrücke während einer weiteren Mongoleireise sammeln. Nach dem erfolgreichen Abschluß von Gan-Ölsies Studium als Fachärztin kam der Zeitpunkt des Abschiedes. Verständlich also mein Wunsch, für „Gana“ ein besonderes Andenken zu schaffen.

Für den Ornamentstil der Mongolei – sowie Asiens überhaupt sind interessante Flechtbandmotive ein unverzichtbarer Bestandteil, der tiefe Wurzeln in der Jahrtausendealten Volkskunst besitzt. Die Mongolen nennen diese Flechtmuster „Ölsie“ = Lebensband. Ein besonders schönes Lebensbandornament zeichnete ich in mein Skizzenbuch; ich fand es als Relief an jedem einzelnen der zahlreichen Mauersegmente, die den riesigen Komplex des buddhistischen „Gandan“-Klosters in der Hauptstadt der Mongolei – Ulan Bator – umschließt. Es ist verblüffend leicht, solche zunächst kompliziert und verschlungen wirkende Muster zu zeichnen, wenn man sich vorher Klarheit verschafft, welches Rasternetz dem jeweiligen Muster zugrunde liegt. Ich konnte mir sicher sein, daß ich mit einer gedrechselten Dose, deren Deckel ein geschnitztes Ornament zeigt, welches nicht nur zur Heimat der Beschenkten eine direkte Beziehung hat – sondern auch zu deren Namen – Freude und Überraschung bereiten würde. Und so hatte ich auch selbst viel Spaß bei der Arbeit. Ich möchte hier noch einige Werkstatt-Kniffe verraten, die für das Gelingen dieser Arbeit eine Rolle gespielt haben:

Verfahren zur Maßstabänderung eines Rasters

Um das gewünschte Flechtbandmotiv auf den gedrechselten Dosendeckel zu übertragen, macht sich in aller Regel eine Anpassung des Rastermaßes an den Deckeldurchmesser erforderlich. Für moderne Bürokopierer ist die vergrößerte oder verkleinerte Wiedergabe einer Vorlage zwar kein Problem; leider werden durch den bequemen und selbstverständlichen Umgang mit der modernen Technik aber oft interessante althergebrachte Verfahren vergessen. Eine Möglichkeit, mit einer rein grafischen Methode zum Ziel zu kommen habe ich einem alten Fachbuch für Graveure entnommen.

Herstellung eines getüpfelten Grundes an Flachschnitzereien mittels Punzen

Das beschriebene Flechtbandornament ist als Flachschnitzerei so gearbeitet, dass das Motiv erhaben vor dem Hintergrund hervorsteht; d. h. der Grund muss nach dem Einstechen der Konturen in das Holz vorsichtig und sauber ausgehoben werden. Um möglichst zeitsparend einen „effektvoll“ wirkenden Grund zu erhalten, war besonders bei preiswerteren Holzbildhauerarbeiten früherer Zeiten die Methode beliebt, die tiefer liegenden Partien mittels geeigneter Punzen zu tüpfeln. Das Verfahren ist wegen seiner Nachteile (Zerstörung jeglicher Wirkung der Holzmaserung und unästhetisches Aussehen durch schnelle Verschmutzung der getüpfelten Partien aus gestalterischer Sicht im Grunde genommen abzulehnen. Nicht zu umgehen ist die Methode allerdings wenn im Reparaturfalle Teile älterer Möbelschnitzereien stilgerecht zu ersetzen sind. Für neue Arbeiten nach eigenen Entwürfen sollte das Tüpfeln jedoch sparsam und für untergeordnete Aufgaben verwendet werden. So steht bei dem selbst schlagenden Punzen, welchen ich mir aus einen automatischen Körner und einem selbst gefertigten Punzeneinsatz angefertigt habe, auch nicht die Arbeitszeiteinsparung im Vordergrund, sondern Dank der gleichmäßigen Schlagstärke der Federmechanik das saubere Ergebnis und die Freude über das experimentieren mit alten Handwerkstechniken.