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Hauptkategorie: Drechseln
Kategorie: Drechselprojekte
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tmb jewelrybox01989/1990 - Wendezeit: Mal raus aus dem Hobbykeller! Endlich die neu gewonnene Reisefreiheit genießen! - Ja, aber mein Hobby ganz "an den Nagel zu hängen" , war für mich nie eine Option! Dann eher eine Flucht nach vorne! Nachdem ich mir einige Male den damals oft gehörten Satz: "Wir Ossis sind auch nicht dumm!" aufgesagt hatte, hatte ich damit wohl genügend Mut angesammet, um bei der Drechslerinnung Niedersachsen - In den neuen Bundesländern gab es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr/noch nicht die entsprechenden Strukturen! - anzufragen, ob ich dort als externer Prüfling meine Drechslergesellenprüfeng ablegen darf!

Über das "Ja, ich solle mich umfassend mit den Unfallverhütungsschriften der Berufsgenossenschaft befassen und umgehend eine Werkzeichnung für mein praktisches Gesellenstück zur Genehmigung vorlegen!" war ich dann doch recht erschrocken! Jedem, dem ich Ausrüstung und Materialvorräte über die ich damals verfügte, gezeigt hätte, hätte mich sicher für verrückt erklärt! In Windeseile haben mir ein paar Freunde geholfen, die klapprige Eigenbau-Drechselbank meines Vaters nochmal so herzurichten, dass sie überhaupt als solche zu erkennen war. Bisher hatte ich Einzelteile davon bei Bedarf provisorisch auf meiner Bildhauerbank befestigt! Spärlich waren auch meine Holzvorräte! Die größte und stärkste Bohle die ich besaß, war ein Stück Birnbaum. Beim Nachsinnen, was daraus wohl entstehen könnte, fiel mir eine Abbildung aus dem Spannagel ein, die eine Schmuchdose zeigte, so ausgehölt war, dass eine ringförmige Vertiefung zur Aufbewahrung von Halsketten um die stehen gelassene Wandung eines kleinen Döschens im Zentrum herum verlief, welches Ringe und ähnliche kleine Schmuckstücke aufnehmen kann. Die Anfertigung meiner Werkzeichnung war ein Puzzlespiel: Ich wollte die Abmessungen des vorhandene Holzes so gut wie möglich ausnutzen, musste aber besonders bei der Bohlenstärke aufpassen, dass ich den Entwurf später auch maßhaltig umsetzen kann. Auch musste ich eigene Ideen einbringen, die meine Umsetzung vom Vorbild hinreichend unterscheiden.

Die in die beiden Deckel eingfrästen Verzierungen habe ich in meinem Entwurf durch geschnitzte Ornamente ersetzt. Zum einen standen mir ja Oberfräse und Guillochiereinrichtung damals nicht zur Verfügung. Außerdem konnte ich so meine Fähigkeiten die ich mir als Kind in der Bildhauerei meines Vaters angeeignet hatte mit in das Projekt einfließen lassen. Und: So unterschied sich mein Entwurf um ein weiteres Detail vom Original!

Bild 2: Im Innenraum das Mitteldöschen für Ringe mit Deckelchen.Nun, das Rosendekor wurde von den Mitgliedern der Prüfungskommission ein wenig als "nicht ganz zeitgemäßes Design" belächelt! Sicher zurecht, denn ich hatte früher unzählige Male Gelegenheit, meinem Vater zuzusehen, wenn er derartige Motive verwendete. So vertraute ich eben auf die zeitlose Schönheit und Symbolkraft der Rose und wähnte mich durch diese Vertrautheit auf sicherem Boden!
Inzwischen ist das Papier der Werkzeichnung genau der Gesellenbrief schon leicht vergilbt und die Fotos, für die noch keine Digitalkamera zur Verfügung stand, leicht verblaßt. Aber die Erinnerungen sind noch lebendig! Und ehe beim nächsten Frühjahrsputz mal alles im Altpapier landet, habe ich mich zur Veröffentlichung im Netz entschlossen: Vielleicht können die folgenden Schritt-für-Schritt-Fotos und die zum Downlad angebotenen Unterlagen zeigen, dass mit der nötigen Motivation trotz bescheidener oder gar widriger äußerer Umstände erstaunliches möglich ist.

Das Dosenunterteil (auf dem Bankbett) und der Deckel (noch im Spannfutter) sind grob vorgedreht und brauchen für eine gute Passfähigkeit nun ausreichend Zeit zum Nachtrocknen!

Inzwischen entsteht der Deckel für das Innendöschen. (Im Bild mit fertig gedrehter Unterseite mit dem Zentrierbund zu sehen.) Darum drechsle ich auch sofort die Oberseite des Deckelchens, um ihn anschließend zu beschnitzen. Da hier der Sitz durchaus ein wenig Spiel haben darf und die Abmessungen relativ gering sind, verzichte ich hier auf den Zwischenschritt des Vordrehens und nachtrocknens, denn der Prüfungstermin rückt rasch näher!

Die beiden vorgerehten Rohlinge für Dosenunterteil und Deckel sind inzwischen gut nachgetrocknet und ich konnte deren Innenseiten fertig drechseln. Die beiden Teile passen so straff zusammen, dass ich das Dosenunterteil als Spundfutter beim Fertigstellen der Oberseite des Deckels nutzen kann. Das Zubehör für die noch aus DDR-Zeiten stammende primitive Drechselbank war sehr dürftig! Darum waren zum Spannen der Teile gute Ideen gefragt: Den vorgedrehten Rohling für das Dosenunterteil habe ich z.B. mit Schmelzklebstoff auf einer kleinen Aluminium-Planscheibe befestigt, die ursprünglich zu dem - legendären - DDR-Heimwerker-System "Multimax gehörte! Den merkwürdigen Ring, der noch auf der Deckeloberseite zu sehen ist, werde ich nun abstechen; er soll den Rohling für das Halterähmchen des Spiegels bilden, den ich in die Deckelinnenseite einlegen will. Das spart nicht nur Holz, sondern sieht wegen der gleichen Farbe und Maserung auch besser aus und sollte nicht zuletzt auch der Prüfungskommission beweisen: Hier handelt einer nach dem Motto: "Erst besinn's dann beginn's!

Um das Halterähmchen für den Spiegel fertig drechseln zu können, habe ich ein entsprechendes Hilfsfutter aus einer passenden Rotbuchen-Querholzscheibe gefertigt, die ich mittels Schraubenfutter (ebenfalls noch Multimax-Zubehör!) an der Spindel befestigt habe.

Der "unter sich" gehende Bereich zwischen Deckel und Halteknopf, die aus einem Stück bestehen, ist mit der Werkzeugschneide schlecht erreichbar und hat nochmal Konzentration und ein paar Tropfen Angstschweiß gekostet! Aber ich habe auch diesen Part.. "gemeistert" kann man beim Gesellenstück nicht sagen und "gesellt" habe ich in diesem Zusammenhang noch nie gehört! Meine Frau schaut mir über die Schulter und hilft: "bewältigt!". Danke! Ach: Auf dem Foto sehe ich auch nochmal meine Multimax-Bohrpistole, die hier beim Feinschliff geholfen hat! Die ist wohl irgendwann versehentlich mit einem großen Spänehaufen entsorgt worden - schade!

Inzwischen habe ich den sauber geschliffenen Deckel vorsichtig von dem straff sitzenden Unterteil abgenommen und sicher verstaut, damit er bei all dem Arbeitseifer, der jetzt da bereits langsam ein Ende in Sicht rückt, nicht noch versehentlich zu Schaden kommt! Das Dosenunterteil wird nun nicht mehr als Spundfutter gebraucht. Doch bevor es vom Klebefutter befreit werden kann, muss vom Zentrierbund noch ein wenig Material abgetragen werden, denn die Passung zwischen Deckel und Dose wäre sonst für den normalen Gebrauch viel zu straff! Dann löse ich mein "Schmelzklebefutter" vom Werkstück ab, indem ich die Planscheibe vorsichtig erwärme. Damit ich den Boden fertig bearbeiten kann, muss ich noch ein großes hölzernes Spundfutter anfertigen, welches genau zum Fertigmaß des Zentrierbundes der Dose passt. Bevor ich den fertigen Dosenkörper vom Futter löse, überprüfe ich nochmals mit einem Lineal, ob
der Dosenboden auch ausreichend nach innen gewölbt ist, um einen sicheren kippelfreien Stand zu geährleisten.

Wer meine Arbeitsschritte aufmerksam bis hierher mitverfolgt hat, wird sich beim betrachten des nebenstehenden Bildes wahrscheinlich fragen: "Wozu dient jetzt noch ein Aufnahmefutter für den Deckel? Der war doch bereits fertig gedrechselt!"

Hier die Auflösung: Zum Beschnitzen des Deckels mit dem Rosendekor brauchte ich eine Befestigungsmöglichkeit auf der Bildhauerbank die sicher und fest genug ist, aberunter keinen Umständen "Eindrücke" auf der fertigen Oberfläche hinterläßt!

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